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Wie Lebensmittel gerettet werden (können)

Reinhardt Seibert • 20. Februar 2022

Erfahrungen in der Arbeit der Tübinger Tafel

 Seit 1998 vertritt die Tafel in Tübingen das Motto „Lebensmittel retten – Menschen helfen“. In den letzten Monaten wurde in Presse und Fernsehen dem Problem der Lebensmittelverschwendung wachsende Bedeutung gewidmet. In einer Pressenotiz hat daher die Tübinger Tafel durch ihren Vorsitzenden Erfahrungen berichtet, wie in Tübingen Lebensmittel gerettet werden können.
Ein Jesuitenpater „containert“ in Nürnberg und zeigt sich danach selbst an, um auf den Skandal des Wegwerfens von Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich in Deutschland aufmerksam zu machen. Dabei entstehen im Handel „nur“ 4% der Lebensmittelabfälle. Bei der Primärproduktion sind es 12%, bei der Verarbeitung 18% (1).
Junge Menschen blockieren seit einigen Wochen als „Letzte Generation“ Straßen und Autobahnen in Berlin und anderen Städten. In ihrer Kampagne „Essen retten – Leben retten“ fordern sie ein Gesetz gegen die Lebensmittelverschwendung und eine Agrarwende. Immer mehr wird deutlich, dass die Klimakrise eine Ursache auch in unserer Wegwerfgesellschaft hat.
Dagegen klingt das Motto der Tafel „Lebensmittel retten – Menschen helfen“ fast schon betulich. Und doch finden seit dem Beginn der Corona-Krise immer mehr junge Menschen auch in Tübingen den Weg zur Tafel, um dort als Mitglieder der Jungen Tübinger Tafel (JTT) einen positiven Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung, Klimakrise und die Armut von immer mehr Menschen, besonders auch vieler Kinder, in unserer Gesellschaft zu leisten.

Junge und alte Ehrenamtliche arbeiten in der Tübinger Tafel eng zusammen und unterstützen sich auch gegenseitig. Ca.4 Tonnen Lebensmittel wöchentlich werden dabei vom Fahrdienst eingesammelt, in der Vorbereitung auf ihre unbedenkliche Genießbarkeit geprüft und dann im „Verkauf“ an die vielen bedürftigen Menschen in Tübingen und seinen Nachbarorten weitergegeben.
Die Tafel freut sich über eine gute Zusammenarbeit mit über 80 regelmäßigen Lieferanten (Supermärkten, Discountern, Bäckereien, Drogeriemärkten) wie auch Kirchengemeinden, Landwirten und vielen Einzelspendern. Und trotzdem werden immer noch zu viele genießbare Lebensmittel weggeworfen. Sie landen in der Abfalltonne statt auf den Tellern bedürftiger Menschen. Es tut den Fahrerinnen und Fahrern der Tafel in der Seele weh, wenn sogar vor ihren Augen gut erhaltene Lebensmittel – Gemüse, Obst, Milchprodukte oder auch verpackte länger haltbare Lebensmittel – als Müll „entsorgt“ werden.
Dabei spielen die beiden Verbrauchsdaten auf den Verpackungen eine wichtige Rolle. „Zu verbrauchen bis“ ist auch für die Tafel tabu. "Mindesthaltbar bis“(MHD) ist dagegen ein  Orientierungsdatum des Herstellers. Lebensmittel mit diesem Aufdruck sind noch Tage, Wochen und Monate darüber hinaus genießbar und können vom Verbraucher selbst geprüft werden. Die Tafel übernimmt bei der Lebensmittelübernahme dafür die Verantwortung  gegenüber den Lieferanten, und die Tafelmitarbeiterinnen und –mitarbeiter werden regelmäßig in der Lebensmittelhygiene geschult. So ist die Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Tafel auch eine win-win-Situation. Mit der Übernahme der Lebensmittel  durch die Tafel sparen die Lieferanten an eigenen Entsorgungskosten.

In der Tübinger Tafel arbeiten ca. 200 Ehrenamtliche mit großem Einsatz gegen die Lebensmittelverschwendung an. Und auch die Tafel verwertet, was sie nicht weitergeben konnte. Am Ende des Tages gibt sie an die Foodsharer ab, was die Kundinnen und Kunden nicht mitgenommen haben. Ebenso können Tierhalter Grünfutter bekommen, und darüber hinaus gäbe es immer noch die Möglichkeit der Kompostierung reiner Pflanzenabfälle. Ein Problem ist allerdings zurzeit die immer größer werdende Schwemme an Backwaren, deren selbst Tafel und Foodsharer kaum noch Herr werden. Die Tübinger Tafel wäre jedenfalls sehr froh über eine bessere Verwertung auch dieser Reste am Ende der Lebensmittel-Rettungskette.
Und dann wäre am Schluss noch die Frage nach den 66% restlichen Lebensmittelabfällen in Deutschland (1). Sie entstehen zu 14% in der Außer-Haus-Verpflegung und zu 52% in den privaten Haushalten. Es bleibt also noch viel zu tun bei der Lebensmittelrettung.


Quellen: (1) Studie des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts im Auftrag des Bundesernährungsministeriums zusammen mit der Universität Stuttgart aus dem Jahr 2019.

Folgende Links interessant (geprüft 20.2.2022)

Millionen Tonnen Lebensmittel landen nach wie vor im Müll

Fehlende Gesetze: zu viele Lebensmittel landen imMüll

Unsere Lebensmittel – Retten statt wegwerfen


www.tuebingertafel.de
www.junge-tuebingertafel.de


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